Oliver Samwer, oder: Mit Rocket Internet die Welt erobern

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In der deutschen Entrepreneurship- und Gründer-Szene wird Rocket Internet kontrovers diskutiert: Während manch einer davon schwärmt, dass Deutschland mit Rocket und Oliver Samwer endlich einen Vorreiter in Sachen Gründerkultur hat, kritisieren andere die „einfache“ Copy-and-Paste-Mentalität der Rocket Ventures und die fehlende Profitabilität. Mittlerweile erstreckt sich das Rocket Imperium über dutzende Länder, Märkte und Startups. Oliver Samwer hat dabei eine klare Vision von zukünftigen Entwicklungen im E-Commerce. Immer richtig lag er damit aber nicht.

Oliver Samwer wurde 1972 in Köln geboren, wo er auch sein Abitur mit 1,0 ablegte. Im Anschluss studierte er an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Koblenz und an der Kellogg School of Management in den USA. Während seines Studiums beschäftigte er sich bereits aus akademischer Sicht mit dem Thema Entrepreneurship.

Schnell wurde er dann auch als Gründer aktiv. Mit einigen Kommilitonen baute er die Ego International Trading Company auf. Diese vertrieb indianische Pantoffeln aus Bolivien in Südamerika. Ein durchaus skalierbares Geschäftsmodell.

Oliver Samwer hat es mittlerweile zu einiger Berühmtheit gebracht. Manchmal ist aber nicht von ihm allein die Rede, sondern von den „Samwer-Brüdern“. Das liegt daran, dass Oliver viele Projekte gemeinsam mit seinen Brüdern Alexander und Marc gestartet hat. So auch das erste Unternehmen, mit dem sie richtig Erfolg hatten.

Die Gründung von Alando

Im Jahr 1999 gründeten die Samwer-Brüder gemeinsam mit einigen Mitgründern die Auktionsplattform Alando, die ein Klon des in Amerika erfolgreichen eBays darstellte. Neben Oliver waren auch seine Brüder Alexander und Marc zuvor in den USA gewesen und konnten sich hier von den vielen Entwicklungen im Startup- und Onlinebereich inspirieren lassen.

Bei der Gründung und dem Aufbau der neuen Auktionsplattform half auch das große Netzwerk der Gründer. Sie erhielten Hilfe und Bürgschaften von Freunden und Verwandten. Genügend Kapital stand ebenfalls bereit, Investoren steuerten 10 Millionen Mark bei.

Nachdem die Plattform im März 1999 online gegangen war, konnte sie nur zwei Monate später für mehr als 40 Millionen Dollar an eBay verkauft werden. Auch wenn dies den Grundstein für den weiteren Erfolg von Oliver Samwer und seinen Brüdern legte, bereute Oliver den Verkauf später. Das Wachstumspotential von Alando sei noch lange nicht ausgeschöpft gewesen.

Im Anschluss wurde Oliver Samwer für eine Zeit Geschäftsführer von eBay Europa. Aber natürlich konnte er nicht lange mit einem neuen Projekt warten.

Der besoffene Elch: Mit Jamba Klingeltonabos zum Erfolg

Im Jahr 2000 ging mit Jamba das nächste Unternehmen der Samwer-Brüder an den Start, wobei es auch hier wieder Mitgründer gab. Der Exit dauerte in diesem Fall etwas länger: Jamba wurde 2004 vom amerikanischen Unternehmen Verisign übernommen und hatte sich zuvor einen Namen als Anbieter von Klingeltönen und weiteren Handyprogrammen gemacht. In Erinnerung bleiben wird der Name Jamba den meisten wahrscheinlich durch die Dauerwerbung auf Viva und MTV. Erfolgreich war das Unternehmen für seine Gründer trotzdem.

Auch in diesem Fall waren gleich zu Beginn namhafte Partner mit an Bord, zum Beispiel Debitel oder Media Markt. Bis Ende 2005 war Oliver Samwer noch in der Geschäftsführung von Jamba.

Die Gründung von Rocket Internet

2007 war es dann soweit: Die Samwers gründeten Rocket Internet, um weitere Unternehmen aufzubauen. Heute reicht schon die Erwähnung dieses Namens, um große Kritik oder Bewunderung hervorzurufen. Das liegt auch daran, dass Rocket entscheidend von Oliver Samwer geprägt ist. Kurz nach der Gründung war Rocket aber noch ein unbeschriebenes Blatt. Im Jahr 2008 ging dann ein Projekt an den Start, welches für viel Wirbel sorgen sollte: Zalando.

Gegründet wurde Zalando von Robert Gentz und David Schneider unter großer Mithilfe von Rocket Internet. Beide hatten genau wie Oliver Samwer an der WHU studiert. Kontakte haben sich also auch bei dieser Gründung ausgezahlt. Zalando setzte zu Beginn auf den Verkauf von Schuhen und hatte in diesem Markt mit Zappos ein amerikanisches Vorbild.

Die Identifizierung von erfolgreichen Geschäftsmodellen und deren Umsetzung in anderen Märkten wurde schnell zu einem Charakteristikum der Geschäftspraktiken von Rocket Internet. Ein weiteres Beispiel hierfür ist der Verkauf von MyCityDeal an Groupon im Jahr 2010 für 170 Millionen Dollar. MyCityDeal wurde als direkter Klon von Groupon gegründet.

Im Juli 2014 ging Rocket Internet an die Börse. CEO wurde, natürlich, Oliver Samwer. Schließlich hat er mit seinem Projekt noch einiges vor. Als Aktiengesellschaft steht Rocket aber natürlich noch mehr im Fokus von Investoren und Öffentlichkeit. Und die spart bei einer schlechten Aktienkursentwicklung nicht mit Kritik. Das sollte auch Samwer zu spüren bekommen.

Skalieren ohne Grenzen?

Der Ausdruck „Rocket Venture“ hat sich mittlerweile zu einem geflügelten Begriff in der Startup-Welt entwickelt. Rocket investiert in junge Online-Unternehmen mit einem vielversprechenden und skalierbaren Geschäftsmodell. Unterstützung bekommen die Startups dabei nicht nur in Form von Kapital, sondern auch durch das große Netzwerk an Kontakten oder bereitgestellte Infrastruktur. Mit der Zeit verfügte Rocket über immer mehr Erfahrungen bei der Gründung neuer Unternehmen.

Vor allem die Geschwindigkeit des Wachstums vieler Rocket Startups ist beeindruckend. Das Wachstum von Umsatz oder Mitarbeiterzahlen wird dabei häufig nicht mehr in Monaten, sondern in Wochen gemessen. Genauso beeindruckend ist bei vielen Startups aber auch die Geschwindigkeit, mit der Geld verbrannt wird.

Die Ausrichtung ist klar: Zunächst muss ein Unternehmen möglichst schnell wachsen und den Umsatz vergrößern. Gewinn spielt hierbei erstmal keine Rolle. Wenn allerdings die Wachstumszahlen nicht stimmen, kann Rocket schnell die Geduld verlieren. Dabei sind die verschiedenen Ventures mit teilweise komplett unterschiedlichen Produkten am Start.

Rockets wichtigste Unternehmen

Besonders bekannt wurde HelloFresh, ein Lieferdienst für Kochboxen. Gegründet im Jahr 2011, ist man mittlerweile in sieben Ländern aktiv und kann mit beeindruckendem Wachstum aufwarten. Ein Gewinn ist dabei aber noch nicht herumgekommen. Eigentlich sollte HelloFresh 2015 an die Börse gehen. Das wurde allerdings zunächst verschoben. Grund dafür soll unter anderem eine zu hohe gewünschte Unternehmensbewertung gewesen sein, die von Rocket aufgerufen worden war. Arrogante Selbstüberschätzung? Oder das selbstbewusste Wissen um den eigenen Wert? Das kommt ganz darauf an, wen man fragt.

Weiterhin sind auch die Lieferdienste Delivery Hero und Foodpanda, sowie Home24 und Westwing von großer Bedeutung für Rocket. Home24 musste seinen Wert bei einer Finanzierungsrunde 2016 allerdings um mehr als die Hälfte reduzieren. Auch Westwing konnte in dieser Zeit keine großen Sprünge in Sachen Wachstum vermelden. Die Hoffnungen von Rocket für eine positive Zukunft sind daher vor allem mit HelloFresh und Delivery Hero verbunden. Beide Ventures sollen die Zeiten hoher Verluste schnell hinter sich lassen und in die Gewinnzone kommen.

Auch Zalando hat sich mittlerweile stark entwickelt. Es gilt als Aushängeschild für ein E-Commerce-Unternehmen, dass nach einer verlustreichen Wachstumsphase profitabel werden kann.

Dabei scheut sich Rocket auch nicht davor, in weniger entwickelte Länder zu gehen, die auf den ersten Blick nicht sonderlich attraktiv für Online-Unternehmen erscheinen. Immer wieder betont Oliver Samwer, dass gerade deswegen hier die größten Potentiale zu finden seien. Allein aufgrund der Bevölkerungszahl ist Indien aus dieser Sicht ein attraktiver Markt. In Gebieten, in denen sich noch kein moderner Einzelhandel entwickelt hat, könnten User mit dem Aufkommen von Smartphones und anderen modernen Geräten direkt Kunden bei großen E-Commerce-Plattformen werden.

Und genau das hat Rocket in Indien versucht.

Wie schlägt sich Rocket in Indien und anderen Märkten?

Auch hier war die Devise: Nicht kleckern, sondern gleich richtig einsteigen. Rocket ging in Indien bereits mit verschiedenen Ventures in unterschiedlichen Märkten an den Start. Mit Jabong gibt es dabei auch einen Zalando-Klon.

Zu Beginn passte die Entwicklung von Jabong wunderbar zu den Prognosen von Rocket. Auf einem riesigen Markt war man der erste große Player und konnte mit starkem Wachstum auf sich aufmerksam zu machen. Allerdings traten schnell Probleme auf. Die Konkurrenz wurde größer, ohne das Jabong eine effektive Strategie für die neue Situation entwickeln konnte. Auch interne Differenzen setzten dem Venture zu. So sollen beispielsweise Teile des indischen Managements eher ihren eigenen Vorteil als den des Gesamtunternehmens gesucht haben, auch wenn die rechtliche Klärung dieser Anschuldigungen noch aussteht.

Das Ende der Geschichte: Jabong wurde im 2016 für 70 Millionen Dollar verkauft. Investiert wurden bis zu diesem Zeitpunkt mindestens 47 Millionen Dollar. Bei den Erwartungen, die Rocket und auch Oliver Samwer zuvor geweckt hatten, ist dies ein Rückschlag. Experten sehen einen wichtigen Grund im Scheitern an dem mangelnden Willen von Rocket, sich auf die Verhältnisse in den einzelnen Zielmärkten einzulassen und das Geschäftsmodell an lokale Bedürfnisse anzupassen. Der simple „Copy-and-Paste“-Ansatz habe in Indien nicht funktioniert. Auch andere Ventures auf dem indischen Markt wurden bereits eingestellt oder verkauft.

Dass es aber auch anders gehen kann zeigt das Beispiel Lazada. Hierbei handelt es sich um einen Amazon-Klon, den Rocket in Südostasien an den Start gebracht hat. 2016 stieg Alibaba, die größte E-Commerce-Plattform der Welt, bei Lazada ein und zahlte dafür eine Milliarde Dollar. Rocket konnte durch den Verkauf von Anteilen die eigene Investition fünfzehnfach zurückerhalten.

Auch die anderen Zalando-Klone, die beispielsweise in Südostasien, in Russland oder in arabischen Ländern tätig sind, konnten hohe Wachstumszahlen verzeichnen.

Dabei hat Oliver Samwer großen Einfluss auf die Kultur und Vorgehensweise von Rocket Internet gehabt.

Oliver Samwer als Gründer

Schnelle Entscheidungen sieht Oliver Samwer als wichtige Grundlage an, um als Entrepreneur und Gründer erfolgreich sein zu können. Dabei wird man durchaus häufig falsch entscheiden. Die Bereitschaft, Risiken einzugehen, sei aber die Grundlage für Fortschritt. Falsche Entscheidungen zeigen, wie schwierig das Gründen ist. Wer die notwendige Leidensfähigkeit dafür mitbringt, kann ein Gründer sein.

Zur öffentlichen Meinung über ihn und Rocket hat Oliver Samwer ebenfalls eine klare Einstellung: Als Entrepreneur kümmert man sich nicht darum, was andere über einen denken. Wer große Ziele habe, werde dafür gerade in Deutschland oft müde belächelt. Die amerikanische Sichtweise, richtig groß zu denken, sei da viel besser.

Auch die Theorielastigkeit vieler deutscher Gründer kritisiert er. Da wird ewig lange an einem Geschäftsmodell gebastelt und vor allem der betriebswirtschaftliche Aspekt betont. Dabei sei der entscheidende Punkt für Erfolg ein herausragendes Produkt, für das Kunden Geld auf den Tisch legen. Mehr Ingenieure, weniger BWLer.

Extrem wichtig sei es außerdem, ein herausragendes Team auf die Beine zu stellen. Gerade Investoren achten zunächst darauf, wer eigentlich die Köpfe hinter einem Startup sind. Die eigentliche Idee ist dann gar nicht mehr so wichtig. Die richtige Auswahl von Mitarbeitern ist daher gerade für ein kleines Startup eine entscheidende Grundlage für den Erfolg.

Die Zukunft von Rocket Internet und Oliver Samwer

Die Mission von Rocket ist eindeutig: „Become the World’s Largest Internet Plattform Outside the United States and China.“ Dabei steht noch die Frage im Raum, ob dies eher durch die Gründung eigener Startups gelingen soll, oder ob sich Rocket eher als Investor an schon bestehenden und größeren Ventures beteiligt.

Die richtig großen Sprünge werden in Zukunft wahrscheinlich auf den noch unterentwickelten Märkten möglich sein, zum Beispiel in Asien oder Afrika. Bevor hier die großen Gewinne winken, muss aber einiges an Vorarbeit geleistet werden. Dazu gehört vielleicht auch ein besseres Verständnis für lokale Gegebenheiten. So hätte ein Scheitern des Zalando-Geschäftsmodells in Indien vielleicht verhindert werden können.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Logistik. Ein Paket in Afrika oder Asien zum Kunden zu bringen ist in vielen Regionen natürlich eine viel schwierigere Herausforderung als in Europa oder den USA. Wenn Rocket hier nachhaltige Lösungen entwickeln kann, sind große Umsätze möglich.

Experten sehen auch ein Problem in der großen Diversität an Märkten, Unternehmen und Produkten, mit denen Rocket hantiert. Bisher schien Oliver Samwer aber nicht der Typ zu sein, der sich spezialisieren möchte.

Auch wenn sich sowohl Samwer, als auch Rocket Internet großer Kritik stellen müssen: Durch sie ist es gelungen, Gründer und Entrepreneure mehr in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit zu rücken. Dabei trägt Rocket maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Digitalwirtschaft auch im Ausland wahrgenommen wird und sich Berlin zu einer Startup-Hochburg entwickeln konnte.

 

Bild: Rocket Internet

Informationen zum Autor

Hannes Jarisch

Hannes ist Redakteur bei Startstories. Seine Brötchen verdient er als Online Entrepreneur und Blogger. Er besitzt einen Master in BWL und einen Bachelor in Politikwissenschaft.

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